Pegida und AfD sind verschiedene Gestalten desselben Inhalts, erklärte Politikwissenschaftler Werner Patzelt, heute bei der Präsentation der Ergebnisse der vierten Befragungswelle von Pegida-Demonstranten. Es sei darum eine bodenlose Verharmlosung, wenn man Pegida als ein Dresdner oder sächsisches Phänomen charakterisiere. „Wir haben es mit der Ausbreitung des Rechtspopulismus in Deutschland zu tun“, betonte der Inhaber des Lehrstuhls für Politische Systeme und Systemvergleich. Nährboden dafür sei der anhaltende Zustrom von Flüchtlingen. „Dieses gesellschaftliche Großexperiment wurde sträflich unterschätzt“, so Patzelt, der eine Änderung der Asylpolitik für notwendig erachtet. Die Lücke, in die die Rechtspopulisten stoßen, habe die CDU geöffnet, „weil sie seit Jahren zu faul ist, den rechten Rand der Gesellschaft zu integrieren“, kritisierte der Wissenschaftler. Diese Lücke füllen nun die AfD und in Dresden Pegida mit inhaltlich gleichen rechtspopulistischen Positionen.
Pegida und der Rechtsextremismus
Um jemanden als Rechtsextremisten zu kennzeichnen, gebe es klare Indikatoren, betonte Patzelt: Die Haltung zum Nationalsozialismus und die Haltung zur Gewalt gegen politische Gegner. 13 Prozent hätten am Nationalsozialismus gute Seiten erkannt, 14 Prozent halten Gewaltanwendung gegen politische Gegner für legitim. Beides gemeinsam befürworteten 3 Prozent. Da die Befragung, wie auch alle vorangegangenen eine leichte Verzerrung dadurch aufweist, dass Demonstranten mit deutlich rechtem Aussehen eine Befragung abgelehnt haben, können es auch doppelt so viele sein, meinte Patzelt. 44 Prozent der Befragten haben sich zu beiden Indikatoren ablehnend geäußert und sind „klar keine Rechtsextremisten“. Insgesamt, so Patzelt, liege der Anteil der Rechtsextremisten unter den Pegida-Demonstranten bei rund 20 Prozent.
Pegida und der Rassismus
Die Studie sieht bis zu zehn Prozent der Befragten als „eindeutige Rassisten“. Sie haben Vorbehalte gegen das biologisch angeborene andere Aussehen der Menschen. 49 Prozent disqualifizieren andere Menschen wegen ihrer Kultur, 40 Prozent wegen ihrer Religion. In dieser Relation bewege sich auch der Anteil der „kulturalistischen Rassisten“.
Hat sich Pegida radikalisiert?
Bei den Pegida-Reden seien die Töne schriller und sarkastischer, die Sprache grober und die Stimmung unter den Demonstranten aggressiver gegenüber anders Denkenden geworden, so die Beobachtung der Forscher. Belege für eine Radikalisierung haben sie jedoch nicht ausgemacht. Die Zahl der Rechtsradikalen, Rechtsextremisten oder Rassisten unter den Demonstranten habe nicht zugenommen. Vor dem Hintergrund der seit Herbst wachsenden Flüchtlingszahlen ist die Zustimmung zu der Frage, „Soll Deutschland weiterhin politisch verfolgte Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlingen aufnehmen“ von 65 auf 35 Prozent gesunken. Ein Viertel der Befragten lehnt die Aufnahme von Asylbewerbern grundsätzlich ab. So konstatiert das Forscherteam, dass sich bei zwei Themen die Ansichten der Pegida-Demonstranten verändert haben: Die Bereitschaft, Flüchtlingen aufzunehmen, sei gesunken wie auch die Bereitschaft, sich einen friedlichen Islam als zu Deutschland passend vorzustellen.
Pegida und die Demokratie
74 Prozent der Pegida-Demonstranten sehen in der Demokratie „eher etwas vorteilhaftes“. Dieser Wert hat sich im Vergleich zu vorangegangenen Befragungen leicht verbessert. Allerdings sind 70 Prozent der Befragten unzufrieden mit der Demokratie, „wie sie in Deutschland funktioniert“, stellten das Forscherteam fest. Die Zahl derjenigen, die sich von Parteien und Politikern nicht vertreten fühlen, hatte im Janaur 2016 mit 83,3 Prozent den höchsten Wert bei allen vier Befragungen. Dieses Phänomen bezeichnet Patzelt als „Repräsentationslücke“.
Pegida und die AfD
Der Wandel der AfD von einer Anti-Euro-Partei zu einer Anti-Einwanderungs-Partei habe sie für Pegida-Anhänger attraktiv gemacht. Wenn am Tag der Befragung im Januar 2016 Bundestagswahl gewesen wäre, würden 82 Prozent der Befragten die AfD wählen. Im Mai 2015 waren es 53 Prozent, im Sommer vollzog sich der Wandel in der AfD. Diese Werte würde die These stützen, „Pegida und AfD sind dasselbe und haben nur eine verschiedene Gestalt“, interpretierte Patzelt die Daten. Gleichzeitig mobilisiere die AfD im Nichtwählerlager. Während im Mai 2015 immerhin 31 Prozent der Pegida-Demonstranten sagten, sie gingen nicht wählen, waren es im Januar 2016 nur noch 11 Prozent. Parallel dazu stieg das Vertrauen der Befragten in die AfD. Auf die Frage „Welcher Partei vertrauen die Demonstrierenden am meisten?“ antworteten Anfang 2015 rund 30 Prozent mit AfD, im Januar 2016 66,4 Prozent. Alle anderen Parteien liegen bei den Antworten unter der Fünf-Prozent-Grenze.
Schlussfolgerungen aus den Forschungsbefunden
Im Mai 2015 hatte Patzelt bereits ein Ende der Pegida-Bewegung vorausgesagt. Dies sei nicht eingetreten und er werde keine weiteren Prognosen abgeben, sagte er heute. Sicher sei, dass der Flüchtlingsstrom Parteien und Bewegungen wie Pegida und die AfD „mäste“. Es sei möglich, dass sich bei sinkenden Flüchtlingszahlen weniger Pegida-Anhänger mobilisieren ließen. Im Moment profitieren die rechtspopulisitischen Parteien jedoch von Auswirkungen der Flüchtlingspolitik. Es bleibe abzuwarten, wie es der AfD nach den Wahlen gelinge, die Stimmung der Straße in die Parlamente zu bringen. Das Problem, so Patzelt, könne nicht in Dresden gelöst werden. Es sei ein gesamtdeutsches und europäisches. Im Umgang mit Pegida habe es wegen falscher Diagnosen viele Fehler gegeben. Patzelt warnte davor, diese im künftigen Umgang mit der AfD zu wiederholen.