Ein Schulfest, auf dem man sich rund um die Welt essen kann, auf dem Kinder aus 60 Ländern „We are the world“ singen, Schülerinnen aus Sri Lanka tanzen und der Schüler aus Ghana trommelt – ein solches Schulfest feiern junge Leute in ihrem Leonardo-da-Vinci-Gymnasium in Berlin-Neukölln. Gestern waren einige von ihnen beim zweiten Dialog „Warum (nicht) zu Pegida gehen?“ im Dresdner Stadtmuseum dabei. Im Oberstufenkurs Politikwissenschaft haben die 17- und 18-Jährigen in den letzten Wochen oft über die Montags-Demonstrationen in Dresden diskutiert. Dafür und dagegen, wie ihr Lehrer Max Maihorn erzählt. Und aus einer spontanen Idee wurde der Plan, nach Dresden zu fahren. Die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung habe das „großartig unterstützt“, lobt er die Gastgeber und ist damit nicht allein.
Auch beim zweiten Dialog „Warum (nicht) zu Pegida gehen?“ sind sich Pegida-Anhänger und No-Pegida-Anhänger in dieser Wertung einig. Landeszentrale-Chef Frank Richter und seine Mitarbeiter machen genau das Richtige und bekommen dafür auch den Beifall aller.
Wieder diente die fishbowl-Methode mit ihren vier Stühlen rings um einem Tisch als Gesprächsmotor. Eine ältere Frau machte den Anfang. Sie erzählte, dass sie noch die Betttücher habe, auf die sie und ihr Mann 1989 die Losungen für die Montagsdemos gemalt hatten. Sie habe Angst, dass unsere Gesellschaft gespalten wird. Die Politiker, das sei für sie ein Problem, würden nur noch die Hälfte der Bevülkerung vertreten, sagte sie mit Blick auf die Wahlbeteiligung. Der Einwohner aus Perba, der bei der ersten Runde die Probleme der 170-Einwohner-Gemeinde mit der Unterbringung von 50 Asylbewerbern schilderte, sagte gestern, dass die Presse „in letzter Zeit sehr korrekt berichtet“. Ein weiterer Redner erklärte deutlich, warum er zur Pegida-Demo geht: „Weil sich die Politikerklasse zu weit abgehoben hat“. Ein anderer schlug vor, die Wahlpflicht in Deutschland einzuführen. Dann setzte sich ein sehr junger Mann an den Tisch und sagte, er komme aus Neukölln und sei 17 Jahre alt. In Berlin wäre er bei der Pegida-Demo mitgelaufen. In Dresden plädierte er unter Berufung auf Lessing dafür, für die Meinungsbildung beide Seiten anzuhören. Später setzte sich ein Mitschüler mit einem markanten schwarzen Bart zwischen die Pegida-Anhänger an den Tisch. „Ich bin ein Moslem und fühle mich auch abgestempelt“, sagt er. Er empfindet die Berichterstattung über den islamistischen Terror einseitig, weil sie eben nur eine Seite des Islam zeige. „Und ich versuche, mich vom islamistischen Terror abzugrenzen“. Er schlug den Pegida-Anhängern vor, sich auch zu distanzieren – von Ausländerfeindlichkeit und Islamfeindlichkeit.
Neu beim zweiten Pegida-Dialog war, dass drei bekannten Persönlichkeiten – der Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld, dem Theaterintendanten Winfried Schulz und dem Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Donsbach Raum für Statements gegeben wurde. Donsbach stellte Ergebnisse einer gerade fertig gewordenen Studie vor. Pegida-Anhänger, so das Ergebnis, haben überwiegend eine rechtskonservative Einstellung. Sie bewegen sich „rechts von der Mitte, aber innerhalb des politischen Spektrums, das unser Land ausmacht“, sagte Donsbach. Bitterbösen Widerspruch aus den Reihen der Pegida-Anhänger erntete Intendant Schulz, als er Beispiele für Fremdenfeindlichkeit in Dresden anführte.
In einer Ecke des Saals saß Vizekanzler und SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel, ganz privat, nur um zuzuhören. Er wird nach der Veranstaltung mit Pegida-Anhängern weiter diskutieren und warnte davor, die Motive der Pegida-Anhänger zu unterschätzen. „Da redet nicht nur der Stammtisch, sondern auch der Frühstückstisch“, so der Vizekanzler.
Max Maihorn, der Lehrer der Neuköllner Schüler, ist begeistert. „Das war großartig. Die Schüler haben sich noch nie so intensiv zu ihrer politischen Meinung bekannt. Es ist nicht einfach, vor so vielen Leuten und in einer nicht einfachen Atmosphäre mutig zu seiner Meinung zu stehen“. Und man merkt ihm den Stolz und Respekt von den jungen Leuten an.