Der Stadtrat muss am 2. Juni erneut über den Tunnel am Neustädter Markt abstimmen. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hat gegen die Entscheidung vom vergangenen Donnerstag Widerspruch eingelegt. Mit den Stimmen der Fraktionen Linke, SPD, FDP/FB und AfD hatte der Stadtrat die Vorlage über die Vergabe der Bauleistungen mit 35 zu 32 Stimmen abgelehnt. Das ist rechtswidrig und ist zum Nachteil für die Stadt, erklärte Hilbert heute und nutzte damit beide Optionen, gegen einen Stadtratsbeschluss Einspruch einzulegen. Der Stadtrat sollte über die Vorlage zur Vergabe der Bauleistungen für die Schließung des Tunnels Neustädter Markt und die oberirdische Fußgängerquerung entscheiden.
>> Wortlaut des Widerspruchs von OB Hilbert
Rechtswidrig sei der Beschluss, weil die Debatte „keine vergaberechtlichen Einwände gegen den vorgeschlagenen Bieter erkennen“ ließ. Die erneut geführte politische Grundsatzdebatte sei vergaberechtlich „verspätet“, so Hilbert in seiner Begründung des Widerspruchs. Das Einzige, worüber am Donnerstag noch zu entscheiden war, sei die Zuschlagserteilung gewesen. Dabei „handelt es sich um eine rechtlich gebundene Entscheidung, bei welcher kein politischer Ermessensspielraum besteht“, begründet Hilbert seine Sicht.
Widerspruch legte der Oberbürgermeister auch ein, weil der Beschluss für die Stadt „nachteilig“ sei. Weil der Beschluss rechtswidrig sei, kämen auf die Stadt Schadensersatzansprüche zu. Nachteilig für die Stadt seien zudem „der erheblichen Glaubwürdigkeits- und Ansehensverlust“ gegenüber potenziellen Vertragspartnern wie auch der Verlust der in Aussucht gestellten Fördermittel.
Sollte der Stadtrat sein Votum wiederholen und der Oberbürgermeister erneut widersprechen, landet der Streit bei der Landesdirektion Sachsen als Kommunalaufsicht.
„Die Nicht-Vergabe des Auftrags bedeutet den maximalen Stillstand. Der Tunnel bleibt unsaniert, die oberirdische Querung für Fußgänger und Radfahrer wird nicht verbessert und die Fördermittel verfallen“, hatte Thomas Löser, baupolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, nach dem Beschluss kritisiert. Er widersprach zudem der Behauptung von Linke-Stadträtin Jacqueline Muth, dass die Mittel für die Sanierung des Tunnels bereits im Haushalt eingestellt seien. „Nach meiner Kenntnis trifft das nicht in vollem Umfang zu“, so Löser. Statt der benötigten 375.000 Euro sind nach Informationen von menschen-in-dresden.de bei den rot-grün-roten Haushaltsverhandlungen nur 200.000 Euro festgemacht worden.
Noch nicht eindeutig geklärt ist die Frage, ob der Fortbestand des Tunnels den gerade vom Stadtrat beschlossenen Wiederaufbau des Narrenhäusels möglicherweise verhindert. Das werde zur Zeit geprüft, sagte Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) heute im Gespräch. Bis wann, darauf wollte er sich nicht festlegen. Auf die Antwort dürfte vor allem die SPD-Fraktion gespannt warten. Sie hatte den Antrag zum Bau des Narrenhäusels in den Stadtrat eingebracht, aber gleichzeitig für den Erhalt des Tunnels am Neustädter Markt gestimmt.