Der fünfte Dresdner Stadtrat ist Geschichte. In einem Gewaltritt haben die 70 Stadträte aus sieben Parteien heute 31 Tagesordnungspunkte abgearbeitet, aber nicht alle abgeschlossen. Ansonsten drohte Nachsitzen am Freitag ab 16 Uhr. Um 21.30 Uhr gab es Sekt und Schnittchen. Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) dankte ihren Wegbegleitern und Opponenten und nannte die 27 Räte, die ab September nicht mehr dabei sind, noch einmal alle namentlich.
Schon den Auftakt der Ratssitzung hatte sie für eine Würdigung der vergangenen fünf Jahre genutzt. 3.000 Vorlagen der Stadtverwaltung und 900 Anträge aus den Fraktionen wurden beraten und beschlossen. 3.000 Anfragen der Stadträte hat die Verwaltung in den vergangenen fünf Jahren beantwortet. Neben den Ratssitzungen wurde in den Fraktionen diskutiert, in den Ausschüssen beraten, tausende Dokumentenseiten studiert, mit den Bürgern gesprochen. „Und, meine Damen und Herren, alles im Ehrenamt. Das wird oft übersehen und zu wenig gewürdigt“, sagte Orosz.
Mit dem Doppelhaushalt 2013/2014 sei ein einmaliges Investitionsprogramm verabschiedet worden. Die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz „war eine gemeinsame Meisterleistung von Verwaltung und Stadtrat“. Es sei gelungen, Themen, die seit zwanzig Jahren auf eine Lösung gewartet haben, zu entscheiden, sagte Orosz und nannte als Beispiel das Kraftwerk Mitte, wo diese Woche der Grundstein für die neuen Spielstätten für das Theater Junge Generation und die Staatsoperette gelegt wurde. Der Wermutstropfen ist die Königsbrücker Straße. Hier scheint auch nach zwanzig Jahren kein Ende absehbar, sagte sie mit Blick auf die rot-rot-grüne Absicht, die beschlossene Sanierungsvariante wieder zu kippen.
Der Dresdner Stadtrat, so Helma Orosz, „ist eine gute Schule für das Leben. Es wird Sie so schnell nichts aus der Fassung bringen“, sagte sie besonders in Richtung der scheidenden Stadträte.
Das konnte sie selbst im Verlauf der nächsten fünfeinhalb Stunden noch unter Beweis stellen. Auf den Gästestühlen saßen die Mitglieder und Sympathisanten vom Freiraum Elbtal, die vor der Messe gegen die Projekte Hafencity und Marina Garden demonstriert hatten. Mit Beifallsbekundungen bei Redebeiträgen von Linken und Grünen und dem Zeigen von roten Karten bei den Rednern aus den Reihen von CDU und FDP verstießen sie mehrfach gegen die Hausordnung. Orosz zeigte Geduld und vermied jede Eskalation.
Selbst zum Start der Beratung. Da überraschten die Linke-Stadträte Jens Mathis und Hans-Jürgen Muskulus mit der Aufforderung, die Ratssitzung abzusagen, weil ihnen das dicke Paket mit den Unterlagen für die Sitzung nicht rechtzeitig zugestellt worden war. Dafür wurde die Oberbürgermeisterin gerügt – „nehmen Sie das bitte ins Protokoll auf“. Drei Zustellversuche seien ergebnislos gewesen, so die Auskunft des Rechtsamtes. Damit sei die Verwaltung ihrer Verpflichtung nachgekommen. Ob die Linke dagegen vorgehen wird, ist noch nicht entschieden. „Wir werden das prüfen“, sagte Fraktionsvorsitzender André Schollbach. Möglicherweise würden Stadtratsbeschlüsse aus der heutigen Sitzung angefochten, weil „nicht ordnungsgemäß zur Sitzung geladen wurde“. Stadtratsbeschlüsse zu Anträgen der Linke seien davon nicht betroffen – die waren den beiden Linke-Stadträte ja bekannt.
Der neugewählte Stadtrat wird ab September weitere Lehren für das Leben bereit halten. Oberbürgermeisterin und Verwaltung sind dann mit veränderten Mehrheitsverhältnissen konfrontiert – zumindest für ein Jahr. 2015 werden ein neues Stadtoberhaupt gewählt und auch die Bürgermeisterposten neu verteilt.