Die rot-grün-rote Mehrheit im Stadtrat hat am Donnerstag Abend nach kontroverser Debatte die Pläne der Stadtverwaltung zur Schaffung von weiteren rund 4.200 Plätzen für die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern drastisch beschnitten. Uneingeschränkt grünes Licht gab es lediglich für rund 900 Plätze in umgenutzten städtischen Gebäuden. Bei der Anmietung von drei Hotels und zwei Wohnungsstandorten in der Großenhainer Straße sollen bei den Hotels die Laufzeit und den Wohnungen die Miete neu verhandelt werden. Die Entscheidung über drei Standorte mit Wohncontainern wurde vertagt.
Vorjohann: Rot-grün-rot hat „keinen Arsch in der Hose“
„Rot-grün-rot hat keinen Arsch in der Hose“, reagierte Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (CDU) sichtlich sauer und ungewohnt deftig nach der Abstimmung. „Wir hätten morgen die Container bestellen können“, meinte er. Die Nachfrage nach Wohncontainern sei riesig und er sei sehr skeptisch, ob zu einem späteren Zeitpunkt die gleichen Konditionen überhaupt noch möglich sein werden. Auch den Verhandlungserfolg über ein reduzierte Laufzeit der Hotel-Verträge sieht er noch nicht. „Jetzt drohen Turnhallen und Messe“, meinte Vorjohann. Und das hatten Linke, Grüne und SPD angeblich immer verhindern wollen. Die Projektgruppe Unterbringung untersteht Finanzbürgermeister Vorjohann und war federführend bei der Stadtrats-Vorlage. Vorjohann hatte in der Stadtratsdebatte vor den Folgen einer Ablehnung gewarnt. Der politische Schaden werde jetzt noch größer, so seine Prognose.
Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) musste nach der Abstimmung sichtlich nach passenden Worten suchen. „Die Ausgangslage hat sich nicht verbessert. Jetzt müssen wir neu ordnen und suchen“, sagte sie.
Entscheidung zu Container-Standorten vertagt
Gute zwei Stunden hatten die Stadträte zuvor debattiert. Bereits am Dienstag hatten sie sich in stundenlangen Fraktionssitzungen auf Änderungsforderungen geeinigt – Linke, Grüne und SPD auf gemeinsame, die CDU auf oftmals ähnliche, aber mit rot-grün-rot nicht abgestimmte. Darum fanden die CDU-Vorschläge keine Mehrheit. Das kritisierten die CDU-Redner in der Debatte. „Einen Konsens zu suchen, wäre angemessen für das Thema“, sagte Fraktionsvize Georg Böhme-Korn. Und CDU-Stadtrat Hans-Joachim Brauns forderte Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) auf, „die Zügel selbst in die Hand zu nehmen“. In anderen Städten würde der Stadtrat auch nicht gefragt, meinte er. So müsse sich Hilbert nicht mit den absurden rot-grün-roten Vorschlägen auseinandersetzen.
Linke-Fraktionschef André Schollbach begründete die Vertagung der Entscheidung zu den Containerstandorten mit dem Vorrang der Schaffung von dauerhaftem Wohnraum. Diese Option solle von der Verwaltung geprüft werden. Außerdem solle die Stadt versuchen, leer stehende Wohnungen in anderen Gemeinden außerhalb von Dresden anzumieten. Für Schollbach demonstriert die rot-grün-rote Stadtratsmehrheit mit ihren Vorschlägen, dass sie Verantwortung übernehme. „Wir tragen das Vorhaben mit, die drei Hotels anzumieten“, erklärte Christian Avenarius, Vorsitzender der SPD-Fraktion. Das schaffe organisatorisch Spielräume. Die Laufzeiten der Verträge müssten jedoch verkürzt werden, meinte er. Durchgängig abgelehnt wurden in der Debatte Mietpreise von 10 Euro pro Quadratmeter in zwei Wohnkomplexen in der Großenhainer Straße. Avenarius bezeichnete dies als „Mietwucher“. Selbst 7,50 Euro seien in der Gegend keine ortsübliche Miete. Für die Grünen hatte Tina Siebeneicher die Debatte eröffnet und betont, dass die Containerstandorte nicht verhindert werden sollen. „Aber wir haben viele Fragen“, sagte sie.
OB Hilbert: Die Kosten werden erstattet
Das gesamte Investitionspaket der Stadtverwaltung hat einenUmfang von rund 60 Millionen Euro. „Ich gehe davon aus, dass uns diese Kosten ersetzt werden“, erklärte Oberbürgermeister Hilbert. Laut Prognosen erwartet Dresden im Januar etwa 1.700 neue Flüchtlinge. Für Februar lägen nach Angaben von Bürgermeisterin Kaufmann noch keine Zahlen vor. Sie hatte in der Debatte auf die Unterbringung als höchste Priorität verwiesen. Wenn diese geklärt sei, könne man sich um Betreiber und das Umfeld kümmern. Als Vergleich führte sie an, dass die wöchentlich zugewiesenen rund 400 Flüchtlingen die Kapazität von 8 Turnhallen ausmachten. Genau das wollten Linke, Grüne und SPD als Notlösung und „ultima ratio“eigentlich verhindern.
Die folgende Übersicht zeigt die von der Stadtverwaltung geplanten Vorhaben, ergänzt um die vom Stadtrat heute beschlossenen Änderungen.
Geplante neue Objekte
1.500 Plätze in Hotels: Mit Einschränkungen angenommen
- Strehlener Straße 20, 354 Plätze,
297.360 Euro pro Monat, drei Jahre Laufzeit,2 Jahre Laufzeit - Fritz-Reuter-Straße 21, 227 Plätze,
190.680 Euro pro Monat, drei Jahre Laufzeit,2 Jahre Laufzeit - Wilhelm-Franke-Straße 90, 977 Plätze,
820.680 Euro, drei Jahre Laufzeit, 1 Jahr Laufzeit
Anmietung von zwei Gebäuden: angenommen mit der Auflage, den Mietpreis neu zu verhandeln
- Großenhainer Straße 61, 28 Plätze
- Großenhainer Straße 63, 37 Plätze
- Mietpreis:
17.538 Euro netto, Nebenkosten 3.900 Euro/Monat, Gesamt 257.256 Euro,Laufzeit 10 Jahre, geplanter Mietbeginn 1.1.2016
1.228 913 Plätze durch Umnutzung von stadteigenen Gebäuden: angenommen mit Einschränkungen
- Katharinenstr. 9, ehemalige Feuerwache, 80 Plätze, seit 31.10.2015
- Boxberger Straße 1, Haus A, 144 Plätze, seit 16.11. 2015
- Boxberger Straße 1, Haus B, 144 Plätze, seit 16.12. 2015
- Dresdner Straße 16, 15 Plätze, ab 28.2.2016
Ginsterstraße 1, 315 Plätze, ab 1. 4.2016- Ginsterstraße 3, 303 Plätze, ab 1.4. 2016
- Zur Wetterwarte 34, 60 Plätze, ab 31.12. 2016
- Buchenstraße 15 b, 43 Plätze, bereits in Nutzung
- Waltherstraße 23, 76 Plätze, bereits in Nutzung
- Kauf von Sanitär- und Aufenthaltscontainern für 3 Standorte
1.358 Plätze an drei Containerstandorten: vertagt
- Washingtonstraße 36: 560 Plätze, 21 Mio Euro einmalig, 2,6 Mio Euro jährlich
- Altenberger Straße 83: 510 Plätze, 12 Mio Euro einmalig, 1,75 Mio Euro jährlich
- Zellescher Weg: Grünfläche an der Studentenwohnheimen, 288 Plätze, 6,2 Mio Euro einmalig, 1 Mio Euro jährlich