Am 7. Mai 2015 hatte sich der Stadtrat einstimmig für die „Einführung einer umweltgerechten und effizienten Verwaltungsarbeit ohne Papier“ ausgesprochen. Ein entsprechender Antrag der AfD-Fraktion war im Verwaltungsausschuss überarbeitet worden. Es habe gute Hinweise im Ausschuss gegeben, erklärte Detlev Cornelius, damals noch AfD-Fraktionsmitglied, in der Stadtratsdebatte. „Mehr als die Überschrift ist von dem Antrag nicht geblieben“, präzisierte Kerstin Harzendorf die Aussage aus Sicht der Grünen. Am Ende stimmten die 60 anwesenden Stadträte mit Ja.
Aus der Weichenstellung vor neun Monaten ist inzwischen ein Pilotprojekt entstanden. Zwanzig Stadträte und Mitarbeiter der Fraktionen können derzeit testen, wie es sich papierlos arbeitet. Während auf den meisten Bänken im Kulturrathaus auch am 17. März dicke braune Umschläge mit den Stadtratsdokumenten liegen, halten Norbert Engemaier von den Piraten oder CDU-Fraktionsgeschäftsführer Andreas Rönsch nur ein i-Pad in der Hand. Der Platz vor ihnen wirkt sehr aufgeräumt. „Nach zwei Wochen Test bin ich ziemlich überzeugt“, meinte Rönsch. Die Aufbereitung der Unterlagen sei hervorragend. Bei allen Dokumenten könne man zudem unkompliziert seine eigenen Anmerkungen hinzufügen. Das sei sehr komfortabel. Da stimmte auch Engemaier zu und ergänzte, dass auch die elektronische Variante nicht kostenlos vom Himmel falle. „Aber was wir sparen, sind die Kopierkosten und Nerven beim Sortieren der Dokumente“, betonte er.
Zur Erinnerung: Die Rechtmäßigkeit der 70. Stadtratssitzung am 10. Juli 2014 war von zwei Linke-Stadträte bestritten worden, weil ihnen die Unterlagen nicht rechtzeitig zugestellt worden waren. Damals war das Paket besonders dick und gut drei Kilogramm schwer. Es passte auf keinen Fall in einen Briefkasten. Das Verwaltungsgericht gab den beiden Stadträten recht.
Eine solche Pleite könnte sich mit den Dokumenten auf dem i-Pad nicht wiederholen. Jeder Stadtrat bekäme eine städtische e-Mail-Adresse. Über diese würde die Einladung verschickt, samt Zustellbestätigung, erläutert Michael Breidung, Leiter des städtischen Eigenbetriebes IT-Dienstleistungen. Bei Bedarf würden alle Unterlagen auch weiterhin analog zur Verfügung stehen. So hatte der 85-jährige Linke-Stadtrat Dieter Scheuch als er im August 2015 nachrückte erklärt, dass er digital nicht unterwegs sei und auch nicht über eine e-Mail-Adressse verfüge. Aber auch größere Bauunterlagen würden in Papierform zur Verfügung gestellt. Das Einsparpotential beim Papierverbrauch ist hoch. 7 Millionen Blatt Papier würden pro Jahr benötigt, um alle Vorlagen, Beschlüsse und Beschlussempfehlungen zu kopieren, rechnete Breidung vor.
Das, so eine Schätzung der menschen-in-dresden.de-Redaktion, sind rund 35.000 Kilogramm Papier pro Jahr. Nach Angaben von pro-regenwald.de werden für deren Herstellung rund 105.000 Kilogramm Holz, 1,8 Millionen Liter Wasser und 375.000 Kilowattstunden Energie verbraucht.
Die i-Pad-App sei eine Erweiterung des bereits vorhandenen Ratsinfo-Systems, erläutert Breidung. Dieses stammt von der Firma Somacos aus Salzwedel, deren Entwicklungsabteilung in Dresden sitze. Die von ihr entworfene Software Session Sitzungsmanagement werde im Ratsinfo-System angewendet und sei Grundlage für die digitale Version, die jetzt auf dem i-Pad verfügbar ist. Hier seien alle Dokumente sofort präsent, das umständliche Herunterladen und Entpacken aus dem Ratsinfosystem entfalle. Der Dresdner Stadtrat sei hier kein Vorreiter und könne sich zum Beispiel auf die Erfahrungen des Magdeburger Stadtrates stützen, meinte der IT-Experte.
Schon bei der ersten Schulung der zwanzig Pilotnutzer habe es ein sehr positives Echo gegeben. Volltextrecherche, saubere Sortierung der Vorlagen und dazu gehörenden Beschlussempfehlungen und Sitzungsprotokolle hätten die Pilotnutzer überzeugt. Während bereits jetzt jeder die Dokumente mit seinen Anmerkungen abspeichern können, soll im nächsten Schritt auch eine gemeinsame Dokumentenbearbeitung möglich sein, blickt Breidung bereits etwas voraus. Jetzt laufe zunächst ein dreimonatiger Test. Danach müsse der Stadtrat entscheiden, ob er die papierlose i-Pad-Variante einführen wolle. Erst dann, so Breidung, sei eine weitgehend papierfreie Stadtratsarbeit in Sicht.