Geduldig korrigiert Hans-Jürgen Burkhardt, kurz Burki, Inhaber des Copy-Phon in Pieschen, die „Bis bald!“-Rufe seiner Kunden. Bis bald, das gilt ab dem 21. Dezember nicht mehr. Burki streicht in Pieschen die Segel. Welche Lücke er hinterlässt, weiß er. Aber: „Ich muss jetzt auch mal an mich denken.“ Seit zwanzig Jahren, sagt Burki einer Kundin schmunzelnd, habe er keinen Urlaub gemacht. Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an.“ Die Kundin gibt fünfzig Cent Trinkgeld. „Da wird der Kaffee heute dicker!“, scherzt Burki.
„Wir ziehen um“ steht auf einem Schild in der Scheibe des Copy-Phons – „wir“, obwohl Burki alleiniger Mitarbeiter ist. Er denkt im Kollektiv. Burki ist ein Praktiker. Er erkennt die Fehler im System und klärt mit gnadenlosen Argumentationsketten auf. Dabei lächelt er freundlich. Er kann nicht anders. Unlogisch platzierte Straßenschilder, fehlende Parkplätze, Skater unfreundliche Radwege: Burki sieht, stellt fest, kritisiert. „Ich bin keiner, der den Mund hält“, sagt er. Burki organisiert und beschallt ehrenamtlich das Dresdner Nachtskaten, engagiert sich im Stadtbezirksbeirat Loschwitz und bringt nebenbei die Wünsche seiner Kunden im Copy-Phon aufs Papier. Freitags blieb das Geschäft geschlossen – zu viel zu tun für Nachtskaten und Co.
Zu DDR-Zeiten schloss Burki seine Lehre als Chemiefacharbeiter ab. Nach seiner Armeezeit wurde er Elektromonteur bei Robotron. Es folgten zehn Jahre Dienst als Hausmeister in einem Kinderheim am Weißen Hirsch und am RoRo-Gymnasium. Bereits in jungen Jahren lagen Burkis Interessen nicht nur in der betrieblichen Arbeit. Er gründete einen Jugendclub, arbeitete im Betriebsfunk bei Robotron und kam schließlich zur Beschallung. Die Technik, mit der einstmals Großparaden zum 1. Mai beschallt wurde: Burki holte sie aus Berlin von der Sonnenallee.
Sie beschallt Weihnachtsmärkte, Feste, Sportveranstaltungen. Sie leitet die Skater durch die Dresdner Nacht und machte Radau bei Burkis „Meisterstück“, der Albertplatzblockade zum 13. Februar im Jahr 2010. Burki überkommt die Rührung, wenn er davon spricht – und der Stolz. Bis zur Carolabrücke waren seine Musik und seine Ansagen zu hören. Sein Sohn war mit auf dem Lautsprecherwagen. Als die Polizei Abbruch forderte, drehte er die Boxen noch ein Stückchen weiter auf. Er stöpselte USB-Sticks von Demonstranten an und achtete peinlich genau darauf, keine Musik abzuspielen, die zur Gewalt aufruft. Friedlich sollte es bleiben. 8000 Watt-Boxen, 8 kW aus dem Notstromgenerator – den Tag wird Burki nicht vergessen.
„Was, Sie ziehen um?“ Schon wieder kann ein Kunde den Schock kaum verwinden. Burki druckt und digitalisiert seit 1995 in Pieschen und kuriert haustechnische Wehwehchen für den Roten Baum und die Linken, die hier im Haus der Begegnung ihren Sitz haben. Kannst du mal hier, kannst du mal da – Burki kann. Ab nächstem Jahr dann in Bühlau – obwohl noch nicht gewiss ist, ob er die Sache mit dem Copy-Shop einfach langsam in Sande verlaufen lässt und sich ausschließlich der Beschallung der Freizeit widmet.
Einige Maschinen kommen mit, der Farbdrucker bleibt im Haus der Begegnung. Eine lautstarke Verabschiedung wird es nicht geben, leise geht Burki fort. Seine Frau besitzt ein Haus in Bühlau und Burki will sehen, was der Platz so hergibt. Eigentlich ist er ja Rentner, aber „oben in Bühlau haben die doch auch keinen Copyshop!“
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