Die Schulen sind noch mindestens bis zum 7. Februar geschlossen. Nur die Abschlussklassen dürfen ab dem 18. Januar wieder im Präsenzunterricht lernen. Das stellt Schüler, Lehrer und Eltern an der Johann-Friedrich-Jencke-Schule Dresden vor große Herausforderungen. Die Schule ist Förderzentrum für Hörgeschädigte. Rund 100 Kinder und Jugendliche lernen am Standort Maxim-Gorki-Straße sowie in je zwei Kooperationsklassen an der 147. Grundschule und der 41. Grundschule. Außerdem betreuen und beraten 13 Pädagogen knapp 200 Schülerinnen und Schüler in Inklusionsklassen, die in einem großen Teil Sachsens verstreut sind.
„Wir konzentrieren uns zunächst auf die Abschlussklassen“, erzählt Schulleiterin Jana Pohl. „In diesem Jahr stehen neben Hauptschul- auch Realschulabschlüsse an. Durch kleine Klassengrößen sei jedoch eine sehr individuelle Vorbereitung möglich.“ Im vergangenen Schuljahr haben im Übrigen alle Hauptschüler ihren Abschluss erfolgreich gemeistert.
Neben Grundschülern und Oberschülern mit Hörbeeinträchtigungen werden hier Kinder mit dem Förderschwerpunkt Lernen oder mit Teilleistungsstörungen unterrichtet. Zudem lernen an diesem Förderzentrum auch mehrfachbehinderte Kinder und Jugendliche. Ein Teil der Schüler kommuniziert in Lautsprache, ein anderer Teil nur in Gebärdensprache.
Erste Erfahrungen im Frühjahrslockdown
„Im Frühjahrslockdown hat unsere pädagogische IT-Kollegin innerhalb von zwei Tagen die Lernsax-Plattform und die Zugänge für die Schüler ab der 5. Klasse eingerichtet“, erinnert sich Schulleiterin Jana Pohl. Der Online-Unterricht wurde dadurch erschwert, dass einige Schüler nicht über die nötige Technik zu Hause verfügten. Ein anderes Hindernis trat vor allem im ländlichen Raum dort auf, wo es keine oder keine guten Internetanbindungen gibt.
Die Grundschulklassen erhalten ihre Aufgaben in Papierform. Die Lehrerinnen und Lehrer halten mit ihnen und ihren Eltern telefonisch sowie per Email Kontakt. Auch die geistig behinderten Schüler können je nach Grad der Behinderung gut per Online-Unterricht beschult werden, wenn die technischen Voraussetzungen zu Hause gegeben sind und die Eltern das häusliche Lernen unterstützen können. „In den Fällen, wo das Lernen mit allen Sinnen erforderlich ist, können wir den Präsenzunterricht kaum kompensieren“, so die Schulleiterin. Sowohl für die Grundschüler als auch die mehrfachbehinderten Kinder und Jugendlichen bietet die Schule eine Notbetreuung an.
Schlechte Internetverbindungen zu Hause und die nicht immer zuverlässig funktionierende Lernplattform nannten Schüler bei ihren Antworten auf unsere über Lernsax gestellten Fragen als Nachteile des Homeschoolings. „Der Unterricht über Lernsax ist für mich erträglich, weil unsere Lehrerin sehr stark beim Vermitteln des Lernstoffes ist und für Fragen jederzeit bereit steht“, erzählt eine Schülerin der achten Klasse mit angeborener starker Hörschädigung. Sie trägt zwei Hörgeräte und nutzt im Präsenzunterricht zusätzlich zu den Hörgeräten eine digitale Übertragungsanlage. Sie lernt seit der ersten Klasse an der Johann-Friedrich-Jencke-Schule und strebt den Realschulabschluss an. Als weitere Nachteile des Homeschooling empfindet sie die fehlende Verbindung zu ihren Mitschülern, Freunden und Lehrern und das Fehlen eines festen Ablaufplanes nach Stundenplan mit Pausen. Sich den Tagesablauf selbst einteilen zu können, nimmt sie gleichzeitig aber auch als Vorteil wahr und schätzt die Erfahrungen, die sie in dieser Zeit sammelt. Dazu gehören das selbständige arbeiten und die Herausforderung, alles selbst im Überblick behalten zu müssen.
Erweiterte Möglichkeiten im neuen Schuljahr
Zu Beginn des neuen Schuljahres tauschte das Lehrerteam während des Pädagogischen Tages seine Erfahrungen mit dem Online-Lernen aus. Das Chatten und Videokonferenzen mit den Schülern sowie selbst erstellte Lehrfilme komplettieren nun den Lernalltag. „Lerninhalte anschaulich zu vermitteln, ist für unsere Schüler ebenso wichtig, wie das Lernmaterial sowohl in Laut- als auch in Gebärdensprache zur Verfügung gestellt zu bekommen“, erläutert Jana Pohl. „Wir haben in der Schule einen Raum eingerichtet, in dem die Lehrer eigene Lehrfilme drehen, Unterricht per Livevideo halten und bilinguales Lernmaterial produzieren können, das sie dann bei Lernsax hochladen.“
Die Mehrzahl der Lehrkräfte setzt die Gebärden sprachbegleitend ein. Einige Lehrkräfte spezialisieren sich auch auf die Deutsche Gebärdensprache (DGS). Seit diesem Schuljahr kann die Schule nun zusätzlich auf ein Team von Gebärdendolmetschern zurückgreifen. Diese stehen beim Online-Unterricht einzelnen Schülern zu Hause zur Seite oder erläutern Inhalte von Arbeitsblättern über die Gebärdensprache.
Präsenzunterricht mit Hygienekonzept
Die Weitläufigkeit des Schulgeländes kommt dem Lehrerteam in Coronazeiten entgegen. Vom Frühsommer bis Mitte Dezember durften nach und nach alle Klassen im Präsenzunterricht anwesend sein. Sie konnten auf die verschiedenen Gebäude auf dem Campus verteilt werden. So lernen die Grundschul- sowie DAZ-Klassen (Deutsch als Zweitsprache) in einem Gebäude. Die Oberschulklassen bleiben im einem anderem Haus und die Klassen für Mehrfachbehinderten haben wiederum ein eigenes Gebäude.
Während des Präsenzunterrichts besteht am Förderzentrum keine Maskenpflicht, um die Kommunikation nicht zusätzlich zu erschweren. Unangenehm ist das notwendige häufige Lüften. „Dadurch ist es immer kalt im Unterricht, egal wie viel man anzieht“, sagt eine Achtklässlerin und fügt hinzu. „Kniebeugen oder Klatschen hilft eben nicht gegen die Kälte.“
Sorgen um einzelne Schüler
Mehrfachbehinderte und Grundschüler werden häufig mit Sammeltaxis in die Schule gebracht und nach Hause gefahren. Sie kommen aus verschiedenen Städten und gehen in verschiedene Schulen. „Was nützt es, wenn wir in der Schule unser Hygienekonzept einhalten, aber die Schüler eng im Taxi nebeneinander sitzen und dort Kontakt zu Schülern anderer Schulen haben“, fragt sich Jana Pohl besorgt und hofft, dass es dafür künftig eine bessere Lösung gibt.
Auch um ihre Inklusionsschüler macht sie sich Gedanken. Normalerweise fahren Pädagogen einmal im Monat für mehrere Stunden zu ihnen, um sie im Unterricht zu unterstützen, Elterngespräche zu führen und den Lehrern Tipps im Umgang mit den Inklusionsschülern zu geben. Seit diese Fahrten coronabedingt nicht mehr möglich sind, versuchen die Pädagogen mit Elternbriefen und Infobriefen an die Schulen die Teilhabe am Lernen zu unterstützen.
„In Bezug auf das Hören ist das Homeschooling für mich besser als der Präsenzunterricht. Aber vom Verständnis des Lernstoffes her ist es genau andersherum, weil die Lehrer nicht so viel erklären können wie im Präsenzunterricht“, erzählt eine Achtklässlerin mit einer mittelgradigen beidseitigen Innenohrschwerhörigkeit. Sie trägt zwei Hörgeräte. Am Gymnasium Bürgerwiese, wo sie als Inklusionsschülerin lernt, kann sie im Präsenzunterricht zusätzlich eine digitale Übertragungsanlage nutzen sowie zwei Handmikrofone. „In Konferenzen oder beim Telefonieren nutze ich Kopfhörer. Dadurch verstehe ich alles sehr gut. Außerdem reden bei Konferenzen die Schüler und Lehrer nicht durcheinander, sondern immer hintereinander. Ich habe da keine Nachteile gegenüber den anderen Schülern.“
Die Geschichte der Schule für Gehörgeschädigte in Dresden reicht bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts und ist eng mit dem Wirken von Johann Friedrich Jencke verbunden. Im August 1999 erfolgte die Zusammenlegung der Schule für Schwerhörige und der Schule für Gehörlose. Die Schüler und Lehrer der Schwerhörigen- und Gehörlosenschule zogen zusammen in die Gebäude der umgebauten ehemaligen Gehörlosen- und Sprachheilschule in der Maxim-Gorki-Straße ein. Die gemeinsame Schule bekam den Namen: Förderzentrum für Hörgeschädigte „Johann-Friedrich–Jencke“
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