Brendler’s Geschichten: Die Bunsenstraße und die Roßmäßlerstraße in Trachau

„Alles muss seine Ordnung haben!“, so schrieb Diplomhistoriker Horst R. Rein (1936-2006) in „Trachau – von Menschen, Häusern und Straßen“ (Heft Nr.6 / 2009). Und weiter: „Jeder Mensch hat einen Ruf- und einen  Familiennamen. […] Aber auch andere ‚Anhängsel‘, wie Wohnort und Straße, begleiten ihn. Er zieht dorthin oder von dort weg. Selten aber macht er sich Gedanken, warum die Straße, in der er wohnt, so heißt, wie sie heißt.“

Als am 1. Januar 1903 der 4.520 Einwohner zählende Vorort Trachau in die Haupt- und Residenzstadt Dresden eingemeindet wurde, verloren 16 Straßen und Wege ihre bisherigen Namen. Das Ortsgesetz Nr.74 / 1903 des Rates der Stadt hatte bestimmt, dass  „…Straßen und Plätze, deren Namen in mehreren Vorstädten übereinstimmend vorkommen oder in den älteren Stadtteilen bereits vorhanden waren oder vorhandenen zum Verwechseln ähnlich sind vom 1. Januar 1904 ab neu- bzw. umbenannt werden.“

Davon betroffen waren auch die 1899 durch den Rat der Gemeinde Trachau benannten Dammstraße und Übigauer Straße. Seit 1904 trägt die zuerst genannte Straße den Namen des Naturforschers und Volksschriftstellers Emil Adolf Roßmäßler, die Übigauer Straße den des Chemikers Robert Wilhelm Bunsen.

Emil Adolf Roßmäßler (Autor der Porträtzeichnung ist nicht bekannt) in „Forststadt Tharandt“, Beiträge zur Heimatgeschichte Heft Nr.1 / Tharandt 1956. Foto: Archiv K. Brendler

Emil Adolph Roßmäßler, am 3. März 1806 als Sohn eines Kupferstechers in Leipzig geboren, studierte zunächst Theologie, beschäftigte sich aber die meiste Zeit mit der Naturwissenschaft Botanik. Nach Beendigung des Studiums (1827) zunächst als Lehrer an einer Privatschule im thüringischen Weida tätig, erhielt er 1830 eine Professur für Botanik und Zoologie an der „Königlich-Sächsischen Akademie für Forst- und Landwirte“ in Tharandt. Diese war aus der 1816 gebildeten privaten Lehranstalt des Forstmeisters Johann Heinrich Cotta (1763-1844) hervorgegangen. In Tharandt lebte, lehrte und forschte Emil Adolf Roßmäßler bis 1850, dem Jahr seiner Suspendierung vom Staatsdienst und der Rückkehr nach Leipzig. Die Folgezeit nutzte er zur Popularisierung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und zum Verfassen naturkundlicher Literatur.

Die Roßmäßlerstraße beginnt gegenüber der ehemaligen Gaststätte „Goldenes Lamm“ und wurde erst 2003 von der Wöhlerstraße bis zur Rietzstraße / Lommatzscher Straße verlängert. Foto: K. Brendler

Der den Typus des „politischen Professors“ verkörpernde Emil Adolf Roßmäßler war aber nicht nur wegen seiner wissenschaftlichen Arbeiten bekannt, sondern vor allem auch wegen seines politischen Engagements während der nationalstaatlichen Revolution 1848/49. Von seinem Wahlbezirk Pirna als Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung gewählt, wurde er als Teilnehmer des linksorientierten Stuttgarter Rumpfparlaments (6.-18. Juni 1849) vor Gericht gestellt. Obwohl freigesprochen, musste er das Lehramt aufgeben.

Emil Adolf Roßmäßler starb am 8. April 1867 in Leipzig, auf dem dortigen Neuen Johannisfriedhof wurde er bestattet. Im Nachruf der vom Verlag des Leipzigers Buchhändlers Ernst Keil (1816-1878) herausgegebenen Illustrierten „Die Gartenlaube“ lautet der erste Satz:  „Ein treuer deutscher Volksmann, ein beharrlicher und unerschrockener Kämpfer für Licht und Recht, Freiheit und Nationalehre ist uns durch den Tod entrissen.“

Wie aus der Übigauer Straße die Bunsenstraße wurde

Den Namen Dammstraße hatte der Gemeinderat Trachau 1899 mit der Begründung beschlossen, dass an dieser Stelle von den Trachauer Bauern Dämme zum Schutz vor den Fluten der Elbe errichtet wurden. Nicht nur beim Hochwasser 1845 waren sie gebrochen, sondern  auch beim einzigen Sommerhochwasser des 19. Jahrhunderts am 6./7. September 1890. Auf die Eingabe des Gemeinderates vom 24. Januar 1891 zum „vorbeugenden Hochwasserschutz“ antwortete die Königliche Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt am 11. März 1891 und legte fest: „Mit Rücksicht darauf, daß bei außergewöhnlichem Elbhochwasser der Verkehr auf der Leipziger Straße in Trachau ohnehin unmöglich wird und über die Schützenhofstraße über Wilder Mann verwiesen werden muß, waltet kein Bedenken dagegen, bei Eintritt solchen Hochwassers einen Schutzdamm in Trachau quer über die vorgedachte Straße zu errichten.“

Robert Wilhelm Bunsen, fotografiert vom Heidelberger Fotografen Eduard Schulze (1841-1913) und in „Illustrirte Welt“ (August 1899) veröffentlicht. Foto: Archiv K. Brendler

Robert Wilhelm Bunsen, am 31. März 1811 als Sohn eines Professors für Literatur in Göttingen geboren, gilt nicht nur als vielseitiger, sondern auch als bedeutender Chemiker und Naturwissenschaftler des 19. Jahrhunderts. Nach Studien der Physik, Chemie und Geologie lehrte er ab 1835 als Professor der Chemie am polytechnischen Institut in Kassel und ab 1840 als Direktor des chemischen Instituts in Breslau. 1852 nahm er eine Professur an der Heidelberger Universität an, die er erst im hohen Alter von 78 Jahren beendete.  Dem Rat seines Universitätskollegen, dem Physiker Gustav Robert Kirchhoff (1824-1887) folgend,  und in enger Forschergemeinschaft mit ihm, entwickelte Bunsen die Spektralanalyse. Mit deren Hilfe lösten beide u. a. auch das Rätsel der dunklen Linien im Sonnenspektrum, die Joseph von Fraunhofer (1787-1826) schon um 1810 beobachtet und gemessen hatte.

Die 1928 bezugsfertige Wohnanlage erbaute die nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gegründete Wohnungsbaugenossenschaft für Dresden und Vororte. Foto: K. Brendler

Am 16. August 1899 ist Robert Wilhelm Bunsen in Heidelberg gestorben, auf dem Bergfriedhof der Neckarstadt wurde er auch bestattet.  Der britische Chemiker Henry Enfield Roscoe (1833-1915), Assistent und Freund Bunsens, würdigte selbigen mit den Worten:  „Als Forscher war er großartig. Als Lehrer sogar noch großartiger. Als Mann und Freund war er der Größte.“

Im Manuskript des „Namenbuch der Straßen und Plätze im Norden der Stadt Dresden“ (2000) ist zur Benennung der Bunsenstraße das Folgende aufgeschrieben: „Wegen ihrer Richtung nach dem nahe gelegenen Dorf Übigau trug sie seit 1899 den Namen Übigauer Straße. […] Da es im benachbarten Stadtteil Kaditz bereits seit 1896 eine Straße gleichen Namens gab, wurde die […] in Trachau in Bunsenstraße umbenannt.“

Im Erdgeschoss und im Hintergebäude in der Bunsenstraße 4 befand sich bis ins Jahr 2000 ein Postamt. Quelle: Archiv K. Brendler

Einhundert Jahre lang, von September 1900 bis April 2000, befand sich in der Bunsenstraße das Postamt Dresden Nr. 30. Der Trachauer Gemeinderat hatte auf seiner Sitzung am 1. Dezember 1899 dem Gesuch der hiesigen  „Baugewerke Conrad Moritz Pfennig“ zur Errichtung eines Post- und Wohngebäudes mit Stallbauten an der Übigauer Straße zugestimmt. Nach einjähriger Bauzeit konnte am 29. September 1900 das seit 1892 bestehende Trachauer „Post- und Telegraphenamt“ von der Leipziger Straße Nr.159 in das neue Postgebäude umziehen. Im Zusammenhang mit der Eingemeindung Trachaus wurde es am 29. Dezember 1903 zum Kaiserlichen Postamt III. Klasse erhoben.

Brendler’s Geschichten ist eine Serie, in der Klaus Brendler für das Onlinejournal Pieschen Aktuell in loser Folge an Orte, Ereignisse und Personen im Ortsamtsbereich Pieschen erinnert. Der Stadtteilhistoriker und Autor ist Vorsitzender des Vereins „Dresdner Geschichtsmarkt“ und Leiter der „Geschichtswerkstatt Dresden-Nordwest“. Er lebt in Dresden-Trachau.
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